DEUTSCHE
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Verfrühte Freude und ein Besuch von Thomas Bach

04.08.2021

Uli Meyers Hockey-Tagebuch aus Tokio - Fortsetzung (31. Juli bis 4. August)

31. Juli: Indiens Damen jubeln nach Stunden des Wartens

Neuseelands Damen müssen beim 2:3 gegen China ihre dritte Niederlage in Serie einstecken. Das Viertelfinale ist ihnen dank ihrer zwei Auftaktsiege und der deutlich besseren Tordifferenz gegenüber den Chinesinnen trotzdem nicht zu nehmen, aber Neuseeland rutscht noch auf Rang vier ab. Genau anders herum läuft die Gruppenreise für Spanien. Mit zwei Niederlagen gestartet, rollen die Spanierinnen das Feld jetzt von hinten auf. Erstmals wieder mit ihrem aus der Corona-Quarantäne zurückgekehrten Cheftrainer Adrian Lock auf der Bank gelingt mit dem 4:1 über Japan der dritte Sieg in Folge.

Der indische FIH-Präsident Batra mit IOC-Präsident Thomas Bach. Bild: Worldsportpics

Der führt Spanien zunächst auf Rang drei vor. Und weil Argentinien im Anschluss gegen Australien im Schlussviertel noch zwei Tore einfängt und 0:2 verliert, fallen die Südamerikanerinnen punktgleich und nun mit einem Treffer schlechter noch hinter Spanien auf Rang drei zurück. Derweil hat Australien mit fünf Siegen und beeindruckenden 13:1 Toren die Gruppe B unerwartet souverän für sich entschieden. Indien will mit einem Sieg über Südafrika das Fernduell gegen Irland um den Viertelfinalplatz für sich entscheiden. Auch wenn Südafrika sich energisch wehrt und dreimal ausgleichen kann, gelingt Indien auch dank des Dreierpacks mit Mittelstürmerin Katariya schließlich ein 4:3.
Das bedeutet für Irland, dass es in der Abendsession gegen Großbritannien gewinnen muss, um sich den zwischendurch verlorenen vierten Platz zurückzuholen. Die Aufgabe stellt sich als zu groß heraus für die Irinnen. Großbritannien, das bei einer Niederlage mit fünf Toren Differenz noch seinen dritten Rang verlieren würde, macht keine Anstalten, dem Inselnachbarn irgendetwas zu schenken. Am Ende gewinnen die Britinnen verdient mit 2:0. Indien jubelt mit einigen Stunden Verspätung über seine Viertelfinalteilnahme, Irland muss vorzeitig heimfahren. Im Duell um den Staffelsieg in der Gruppe A lassen die Niederlande die deutschen Damen mit einem 3:1 abblitzen.

1.August: Holland freut sich aufs Shoot-out – und verliert dann

Deutschland und Rio2016-Goldgewinner Argentinien eröffnen am Sonntag die K.o.-Turnierphase. Im ersten Viertelfinale knüpfen die deutschen Herren nahtlos an ihre gute Holland-Performance an und werfen die Südamerikaner mit einem 3:1 verdient aus dem Rennen. Im zweiten Entscheidungsspiel zeigen sich die Niederländer gegen Mitfavorit Australien deutlich formverbessert gegenüber ihrer Gruppenauftritten. Der Europameister gleicht zwei Rückstände aus, erarbeitet sich auch ein Eckenplus. Als die Australier Sekunden vor Schluss der vom deutschen Schiedsrichter Benjamin Göntgen und seinem argentinischen Kollegen Montes de Oca souverän geleiteten Partie noch eine dicke Chance zum 3:2 auslassen, jubelt Pirmin Blaak. Der holländische Keeper freut sich aufs Shoot-out, weil er da jüngst bei der EM zwei Erfolgserlebnisse mit Siegen über Belgien (Halbfinale) und Deutschland (Endspiel) hatte. Doch in Tokio reißt die Serie: Kein holländischer Spieler trifft, und so ist schon nach drei australischen Toren die Sache entschieden – 0:3, das Oranje-Team ist raus.
Zu Beginn der Abendsession tut sich Gruppensieger Belgien gegen Spanien schwer. Zur Pause liegt der Weltmeister sogar 0:1 in Rückstand. Zwar ist auf Eckenkanonier Hendrickx im zweiten Durchgang Verlass, trotzdem sind Zeichen von Stress und Verunsicherung an der belgischen Bank unverkennbar. Als man sich lautstark über eine Entscheidung des australischen Unparteiischen Kearns beschwert, muss sogar Turnierdirektor Christian Deckenbrock einschreiten. Am Ende setzt sich der Favorit mit 3:1 durch, aber die Spanier haben ihre Haut wirklich teuer verkauft und richtig starke Gegenwehr geleistet. Die große Hockeynation Indien feiert. Erstmals seit München 1972 schafft der achtfache Goldmedaillengewinner wieder den Einzug in ein olympisches Halbfinale (beim letzten indischen Olympiasieg 1980 in Moskau gab es kein Halbfinale). Gegen Großbritannien wackelt die indische 2:0-Halbzeitführung zwischendurch bedenklich. Die Briten verkürzen, können aber letztlich nur eine ihrer acht Ecken (Indien: null!) im Kasten von Torwart Sreejesh Parattu unterbringen. Drei Minuten vor dem Ende fällt mit dem 3:1 die Entscheidung.

2. August: Das Aus für die deutschen und australischen Damen

Die besseren Platzierungen nach der Gruppenphase nutzen den Damen von Deutschland und Australien im Viertelfinale nichts. Am Montagmorgen scheiden erst die deutschen Damen gegen Argentinien nach verkrampftem Auftritt deutlich mit 0:3 aus. Noch weit überraschender kommt das anschließend Aus von Australien. Nach makelloser Vorrunde geht das Team von Katrina Powell gegen Indien als klarer Favorit ins Rennen. Doch die Asiatinnen spielen munter mit, gehen mit ihrer einzigen Ecke auch in Führung und bringen den 1:0-Sieg dank aufopferungsvoller Abwehrarbeit um die vor allem bei neun australischen Ecken unüberwindliche Torhüterin Savita schließlich nach Hause. Nach drei Niederlagen zum Start des Turniers kämpfen Indiens Damen plötzlich um eine Medaille. So verrückt ist Olympia manchmal auch.

Die Damen von Niederlande und Neuseeland setzen am Montag in der Abendsession die Viertelfinalrunde fort. Auch wenn sich die Neuseeländerinnen die Lunge aus dem Leib rennen und größten Einsatzwillen zeigen, haben sie der spielerischen Übermacht des Weltmeisters einfach zu wenig entgegenzusetzen. Der Außenseiter hätte wohl schon die meisten seiner vier Strafecken verwandeln müssen, um die von der deutschen Schiedsrichterin Michelle Meister und der Südafrikanerin Joubert geleiteten Partie offener zu halten. Denn aus dem Spiel heraus kommt Neuseeland in 60 Minuten zu keinem einzigen Torschuss. Und so setzt sich der Goldfavorit dank der Treffer von Welten, Matla und Stam am Ende verdient und sicher mit 3:0 durch.
Deutlich enger geht es in der vierten und letzten Partie dieser ersten K.o.-Runde zu. Spanien kann gegen Titelverteidiger Großbritannien, das durch Martin und Balsdon zweimal vorlegt, durch die Flottbeker Bundesligaspielerin Iglesias sowie Bonastre ausgleichen. Mit dem 2:2-Endstand geht es ins Shoot-out. Dort ist GB-Welttorhüterin Maddie Hinch nicht zu bezwingen, gleich vier Spanierinnen scheitern an ihr. Großbritannien macht es besser und zieht durch zwei Treffer ins Halbfinale ein. Interessanter Fakt: In drei von vier Viertelfinalspielen der Damen hat sich die Mannschaft mit der tieferen Platzierung aus der Vorrunde durchgesetzt. Nur Weltmeister Niederlande bestätigt seinen Gruppensieg.

Auch im hochtechnisierten Japan geht es macnhmal ganz schön analog zu. Bild: Meyer

3. August: IOC-Präsident Bach gibt sich die Ehre

Im ersten Halbfinale der Herren schickt sich am Dienstag unter prominenter Beobachtung von IOC-Präsident Thomas Bach (der deutsche Olympiaboss sitzt auf der Tribüne neben dem indischen FIH-Präsident Batra) Indien an, Weltmeister Belgien zu überraschen. Harmanpreet Singh per Ecke und Mandeep Singh mit einem schönen Rückhandknaller drehen die belgische Führung (Luypaert per Ecke) zu einer 2:1-Führung nach dem ersten Viertel. „Wir haben auch im Rückstand weiter an unseren Plan geglaubt und sind ruhig geblieben“, sagt später Alexander Hendrickx. Eine Ruhe, die sich ausbezahlt. Der Weltmeister bekommt die vom deutschen Referee Benjamin Göntgen und seinem holländischen Kollegen van Bunge gepfiffene Partie ab dem zweiten Viertel immer besser in den Griff. Indien kann nur noch punktuell gefährlich werden, wenn mal ein langer Ball in der Spitze ankommt. Doch Belgiens Abwehr um Torwart Vanasch und Organisator van Doren lässt nichts mehr anbrennen. Und vorne holt man sich immer wieder die Ecken, die man braucht, um Hendricks in Stellung zu bringen. Mit drei Standards (erst zwei direkt versenkte Ecken, dann ein Siebenmeter nach regelwidriger Eckenabwehr) dreht der designierte Torschützenkönig des Turniers den Spielstand zum 4:2. Sekunden vor Ende, nachdem Indien in den letzten drei Minuten ohne Torhüter den letzten Strohhalm gezogen hat, legt Oldie Dohmen noch das 5:2 nach. 14 Strafecken (darunter einige klassische Folgeversuche) sind aus indischer Sicht gerade gegen einen bei diesen Standards so treffsicheren Gegner einfach viel zu viel gewesen, um sich den Traum vom Endspiel zu erfüllen.
Am Abend platzen dann auch die deutschen Gold-Hoffnungen. Die deutschen Herren rennen gegen ein nur phasenweise in der ersten Halbzeit gutes und gnadenlos effektives Australien einem 1:2-Pausenrückstand glücklos hinterher. Am Ende fällt noch ein Empty-net-Goal zum 3:1-Endstand.

4. August: Holländische Revanche und Machtdemonstration

Im ersten Halbfinale der Damen gelingt den Niederländerinnen nicht nur eine Revanche für die in Rio 2016 im Shoot-out des Endspiels erlittene Niederlage. Das 5:1 über den damit entthronten Olympiasieger Großbritannien ist auch eine weitere Machtdemonstration an die verbliebene Konkurrenz. Mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks überfahren die Holländerinnen ihren Gegner. Albers und Keetels bringen mit einem Doppelschlag die 2:0-Halbzeitführung, die Verschoor und nochmal Albers zum 4:0 ausbauen. Der britische Eckentreffer von Ansley zum 1:4 ist nur ein Strohfeuer, weil Matla bald danach den fünften Treffer für den Weltmeister nachlegt.