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Ausgang der Stars Awards sorgt für Häme und Empörung

15.10.2021

Spielerin des Jahres, Spieler des Jahres, Torhüterin des Jahres, Torhüter des Jahres, Rising Star (weiblich/männlich) des Jahres, Coach des Jahres für weibliche und männliche Teams – acht Preise, und alle gehen sie in diesem Jahr nach Indien. Das ist einmalig in der Geschichte solcher individuellen Auszeichnungen, die der Welthockeyverband FIH alljährlich vergibt. 1998 wurde damit begonnen, die herausragenden Akteure einer internationalen Saison zu ehren, im deutschen Sprachraum war stets vom „Welthockeyspieler des Jahres“ die Rede. Später kamen die größten jungen Entdeckungen (Rising Stars; Spieler/innen bis 23 Jahre; seit 2001) und dann die Torhüter (seit 2014) hinzu. Längst sind auch die Kategorien Trainer und Schiedsrichter in das Auszeichnungsprozedere der „FIH Hockey Stars Awards“ aufgenommen worden.

Mit größter Wahrscheinlichkeit hat noch keine andere Preisvergabe für einen derartigen Aufschrei gesorgt wie die aktuelle. Kaum hatte die FIH am 6. Oktober die Gewinner für die verlängerte Periode 2020/21 (voriges Jahr gab es aufgrund des wegen Corona darniederliegenden Eventkalenders keine Wahl; die diesjährigen Awards deckten den Zeitraum von Januar 2020 bis zum Abschluss der Olympischen Spiele in Tokio ab) öffentlich gemacht, hagelte es in den Sozialen Medien reihenweise Kommentare. Und zwar nicht von irgendwelchen unbekannten Menschen oder sich gar völlig anonym haltenden Personen, sondern von Prominenten aus der Hockeywelt. Mit Ungläubigkeit, Spott und Häme reagierten viele auf die Ergebnisse. „Was für ein Witz ist das denn?“, fragte der belgische Olympiasieger Victor Wegnez. In die gleiche Kerbe hieb Hollands Seve van Ass mit der spitzen Bemerkung, ob denn schon wieder 1. April wäre.

Zu den ersten, die sich über Instagram zu Wort meldeten, gehörte auch der deutsche Rekordnationalspieler Tobias Hauke. „Sie sollten sich so schnell wie möglich über das System Gedanken machen. Es ist lächerlich und hilft uns nicht, den Sport professioneller zu machen“, riet Hauke den Verantwortlichen der FIH, den Modus bei der Bestimmung der Welthockeyspieler zu überdenken. Ähnlich formulierte es Gonzalo Peillat. „Klar ist, dass der Prozess und die Form des Systems falsch sind, nicht die Gewinner, weil sie nicht die Schuldigen sind“, schrieb der argentinische Olympiasieger von 2016. Wie Hauke hatte auch der beim Mannheimer HC spielende Strafeckenkünstler den Prämierten aus Indien gratuliert. Und Peillats Freundin Florencia Habif, ebenfalls beim MHC spielende Ex-Internationale, fragte tiefgründig, ob die Gewinner nun die besten Spieler seien oder nur die populärsten der Welt.

Fraglos hat das indische Hockey ein starkes Jahr hinter sich. Die Bronzemedaille der Herren und der Halbfinaleinzug der Damen in Tokio machten zusammen einen indischen Olympiaauftritt aus, der weltweit registriert wurde und deutlich über den Erwartungen lag. Aber rechtfertigt so etwas auch, dass die Olympiasieger Niederlande (Damen) und Belgien (Herren) gänzlich leer ausgehen bei den Wahlen der herausragenden Spieler und Trainer? Fakt ist, dass für den Ausgang vor allem die Öffentlichkeit eine gehörige Rolle spielte. Die FIH-Medienspezialisten versuchten in ihrer Pressemitteilung dann auch diesen Aspekt in den Vordergrund zu stellen. „Als wahrscheinliches Ergebnis der ersten olympischen Medaille der indischen Herren seit 41 Jahren sowie der herausragenden Leistung des indischen Damenteams, das in Tokio die letzten Vier erreichte, dominieren Indiens Athleten und Trainer die FIH Hockey Stars Awards 2020-21“, hieß es da.

Hatte Erklärungsbedarf für den einseitigen Ausgang der "FIH Hockey Stars Awards 2020-2021": Thierry Weil, Exekutivdirektor des Welthockeyverbandes FIH. Foto: Worldsportpics

 

Der Online-Abstimmungsprozess begann am 23. August und endete am 15. September 2021. Die Stimmen der Nationalverbände – vertreten durch ihre jeweiligen nationalen Kapitäne und Trainer – machten 50 Prozent des Gesamtergebnisses aus, während Fans (25 %) und Medienvertreter (25 %) für die andere Hälfte der Stimmen sorgten. Eine von der FIH eingesetzte Kommission hatte in jeder Kategorie bis zu sechs Kandidatinnen oder Kandidaten nominiert. Nur unter diesen durfte ausgewählt werden.

Am Ende hatten Gurjit Kaur (Spielerin), Harmanpreet Singh (Spieler), Savita (Torhüterin), PR Sreejesh (Torhüter), Sharmila Devi (Rising Star weiblich) und Vivek Prasad (Rising Star männlich) sowie die Trainer des indischen Damenteams (der Niederländer Sjoerd Marijne) und des indischen Herrenteams (der Australier Graham Reid) die mit weitem Abstand meisten Stimmen erlangt. Und zwar nicht nur bei den Fans, wo es eine Rekordbeteiligung von fast 300.000 Einsendungen gab, sondern jeweils auch bei den Verbänden und den Medien. Die FIH teilte mit, dass sich 79 Nationalverbände von insgesamt 138 an der Abstimmung beteiligten (Afrika: 11 von 25 Mitgliedsverbänden; Asien: 29 von 33; Europa: 19 von 42; Ozeanien: 3 von 8; Panamerika: 17 von 30), und stellte dann ein genaues Zahlenwerk vor (in der DHZ 34 sind alle relevanten Zahlen veröffentlicht).

Nach dem Shitstorm, der über dem Weltverband einprasselte, sah sich die FIH-Exekutivdirektor Thierry Weil bemüßigt, in einem hauseigen aufgesetzten Interview Stellung zu beziehen. „Wenn in einem olympischen Jahr die Goldmedaillengewinner keinen Preis gewinnen und eine andere Nation sie alle bekommt, ist klar, dass dies nicht gut ankommt! Daher verstehe ich natürlich die Enttäuschung und zum Teil auch die Wut, insbesondere der betroffenen Teams“, lautete ein markanter Satz des Franzosen, er allerdings auch anmerkte: „Gleichzeitig möchte ich den Gewinnern gratulieren! Sie alle wurden von einem Expertengremium nominiert und waren somit genauso gewinnberechtigt wie die anderen! Und beide indischen Teams haben bei den Olympischen Spielen Tokio 2020 eine fantastische Leistung gezeigt! Ich gehe davon aus, dass die natürliche Freude, die sie zu Recht empfinden sollten, wenn sie einen solchen Preis gewinnen, durch all dies verändert wurde, und das ist auch nicht schön.“

Zur Frage nach dem Wahlmodus sagte Weil: „Ich bin mir nicht sicher, ob es einen idealen Prozess gibt, um ehrlich zu sein.“ Fest steht für den CEO des Weltverbandes, dass die nicht alleine die Öffentlichkeit für das Zustandekommen der Ergebnisse verantwortlich war: „Selbst wenn die Fans nicht abgestimmt hätten, wären die siegreichen Athleten dieselben gewesen, weil diese in allen drei Gruppen die Wertung angeführt haben.“ Was Weil fast mehr störte, war die Tatsache, dass fast die Hälfte der nationalen Verbände sich nicht an der Abstimmung beteiligte: „Ich muss zugeben, dass ich darauf noch keine Antwort habe. Vielleicht waren wir nicht klar genug“, will sich er diesen Aspekt genauso beleuchten wie alles andere auch. Die Öffentlichkeit bei solch einer Wahl grundsätzlich außen vor zu lassen, kommt für Thierry Weil nicht in Frage: „Unsere Gesamtstrategie bei der FIH besteht darin, Sportler und Fans in den Mittelpunkt unseres Handelns zu stellen. Daher ist es wichtig, den Fans die Möglichkeit zu geben, ihre Ansichten zu äußern.“ 

lim

 

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