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Zafer Kir: „Dem Druck standgehalten, auch wenn es sehr knapp war“

01.06.2023

Viel hat nicht gefehlt, und die Herren des Mannheimer HC hätten die DM-Endrunde auf eigener Anlage nur als Zuschauer erlebt. Doch über zwei gewonnene Shoot-outs schaffte es das punktbeste Bundesligateam, ein Aus im Viertelfinale zu verhindern. Über die spannende Play-off-Serie gegen den Crefelder HTC, das bevorstehende Final-Four „dahäm“ und natürlich seine Rolle beim MHC hat Co-Trainer Zafer Kir (36) mit DHZ-Redaktionsleiter Uli Meyer gesprochen.

Herr Kir, Ihr Team des Mannheimer HC hat keines der drei Play-off-Spiele gegen den Crefelder HTC in regulärer Spielzeit gewonnen und ist trotzdem weiter. Ist das „gerecht“, oder war letztlich auch viel Glück nötig, um nicht auszuscheiden?
ZAFER KIR: Der Modus gibt es nun mal her, dass man die Serie auch so gewinnen kann, wie wir es gemacht haben. Am Ende war es ein Duell auf sehr hohem Niveau. Man muss den Krefeldern Respekt zollen. Sie waren für uns ein unangenehmer Gegner. Wenn der CHTC tatsächlich als Sieger hervorgegangen wäre, hätten wir uns nicht beschweren können. Sie hatten, vor allem am Ende des zweiten Spiels, einige Matchbälle. Für uns war es wichtig, dass wir weiter daran geglaubt haben - bis zur allerletzten Sekunde. Und das haben wir getan. Deswegen auch ein Riesenkompliment an unsere Mannschaft! Wir haben unser Weiterkommen mit aller Macht und allem Glauben erzwungen!

Waren Sie und der MHC ein bisschen überrascht von der Krefelder Gesamtleistung über die drei Spiele hinweg? Immerhin war der CHTC „nur“ ein Aufsteiger.
Der CHTC ist zwar als nomineller Aufsteiger in die Saison 2022/23 gestartet, aber es war und ist ja kein gewöhnlicher Aufsteiger. Mit Rückkehrer Niklas Wellen, dem ein oder anderen Argentinier sowie den weiteren guten Zugängen wie Pfandt, Hayner und Onyekwue-Nnaji war klar, dass uns da eine Topmannschaft begegnet. Wir müssen uns eingestehen, dass wir die ersten 20 Minuten in Krefeld komplett verschlafen haben und der Gegner es aber auch brutal gut und effizient gemacht hat. Danach standen wir mit dem Rücken zur Wand. Schon in Spiel 1 in Krefeld hat unsere Mannschaft aber eine gute Reaktion auf den Rückstand gezeigt, hat sich zahlreiche gute Chancen erarbeitet, auch wenn wir den Rückstand nicht mehr aufholen konnten. Wir wussten danach, dass es zuhause zwar ein hartes Brett wird, die Serie zu drehen, es aber möglich ist.

Ist denn der Mannheimer HC im Viertelfinale unter seinem Niveau geblieben, das er während der Ligaphase als punktbeste Bundesligamannschaft brachte? Lag es am größeren Druck, den man jetzt hat?
Ja, sicherlich. K.o.-Spiele haben immer einen besonderen Charakter. Das wurde über die drei Spiele hinweg auch deutlich. Als Vierter hat man gegen einen Staffelsieger auch weniger zu verlieren als eben der Favorit. Und in dieser Saison war die andere Gruppe nach hinten einfach ungewöhnlich stark besetzt. Egal, wen wir da bekommen hätten, also CHTC, HTHC oder Mülheim – das wäre alles unangenehm für uns gewesen. Wir wussten, dass die Situation in der K.o.-Phase eine andere ist als in der Liga und was da auf uns zukommt. Es war für unsere junge Mannschaft wieder eine gute Gelegenheit, mit solchem Druck umzugehen. Am Ende haben wir dem standgehalten, auch wenn es sehr knapp war.

  Seit August 2022 steht Zafer Kir als Co-Trainer der Herren-Bundesligamannschaft in Diensten des Mannheimer HC. Der 36-Jährige, als Sohn türkischer Einwanderer in Georgsmarienhütte aufgewachsen, bestritt Länderspiele für die Türkei. An der Trainerakademie absolviert er derzeit sein Trainerdiplom. Foto: Foto2press 

Für die Teams des Mannheimer HC gibt es in dieser Saison ja außerdem den speziellen Aspekt des Final-Four daheim  – war das ausschließlich Ansporn? Oder führt der Gedanke daran, dass man eventuell bei der Endrunde im eigenen Stadion zugucken muss, zu einer gewissen Lähmung?
Natürlich war es von Anfang an unser gemeinsames Ziel, dass wir das Final-Four zu Hause nicht nur ausrichten, sondern da auch mitspielen wollen. Man will eigentlich gar nicht daran denken, das nicht zu schaffen. Aber klar hat man im Unterbewusstsein dieses Szenario abgespeichert. Und gerade nach der Niederlage in Krefeld ist da nochmal ein Ruck durch die Mannschaft gegangen, dass wir nochmal alles reinwerfen wollen, um unser Ziel zu erreichen. Es hat dann ja auch funktioniert.

Was muss der MHC besser oder anders machen als im Play-off, um die Halbfinal-Hürde UHC überstehen zu können?
Über die Saison hinweg haben wir spielerisch oft sehr gutes Hockey gespielt. Taktisch und technisch waren da richtig gute Sachen dabei. Klar haben wir im Play-off gegen Krefeld nicht unser bestes Hockey gezeigt, aber wir haben da bewiesen, dass wir auch über Kampfgeist und Mentalität verfügen, die uns darüber hinweghelfen, wenn es spielerisch mal nicht optimal läuft. Da bin ich richtig stolz auf die Jungs, was sie da bei dem heißen Sommerwetter am Wochenende für einen richtigen Fight abgeliefert haben. Ich würde mir wünschen, dass wir die spielerische Klasse, die wir über die Saison gezeigt haben, mit dem Kampfgeist aus dem Viertelfinale kombinieren können. Wenn uns das gelingt, dann sind wir – glaube ich – gut fürs Halbfinale aufgestellt.

Sollte es da zu einem Shoot-out kommen, sind ja beide Teams offenbar bestens gerüstet, wie das Viertelfinale gezeigt hat.
Apropos Shoot-out. Da gilt es noch ein Riesenkompliment an Lukas Stumpf auszusprechen. Unser Torwart war im richtigen Moment einfach da, hat großartig performt. Wir haben jemanden gebraucht, der den Unterschied macht, und das hat Lukas gegen Krefeld an beiden Tagen bewiesen.

Alle vier Herren-Viertelfinals gingen in dieser Saison über drei Spiele – ist das ein Zeichen für die gewachsene Ausgeglichenheit der 1. Bundesliga?
Ja, auf jeden Fall. Das ist vor allem ein Ergebnis der Arbeit der Clubs vor Ort. In den Serien selbst konnte man so richtig keinen eindeutigen Sieger erkennen. Ich bin mit der Entwicklung der Hockey-Bundesliga sehr zufrieden und freue mich, dass die ersten acht Plätze so hart umkämpft sind. Das gesamte Niveau der Liga ist gestiegen, und die Liga hat damit schon deutlich an Attraktivität gewonnen.

Sie sind jetzt knapp ein Jahr beim Mannheimer HC. Gefällt es Ihnen da? Und wie ist die Arbeit dort im Vergleich zu Ihrer Zeit beim Harvestehuder THC?
Ich bin seit August 2022 hier und fühle mich vom ersten Tag an in Mannheim pudelwohl. Der schwerste Schritt für mich war ja, überhaupt mal aus Hamburg rauszukommen. Aber einmal hier in Mannheim angekommen, kümmern sich alle rührend um mich. Ich habe ein cooles Umfeld, super Trainerkollegen, einen sehr guten Vorstand – aber auch die Arbeit mit der Mannschaft selber ist top. Ich komme ja aus der HTHC-Jugend. Natürlich ist dann alles ein Stück professioneller, wenn man von der Jugend in die Bundesliga wechselt.

Dann hatten Sie bei Harvestehude gar nicht viel mit der Bundesligamannschaft zu tun?
Nicht direkt. Aber ich war aktiv beteiligt, wenn es um das Heranführen von Talenten an den BL-Kader ging. So habe ich die Entwicklung zum Beispiel von Paul Glander oder Ben Hasbach in der erste Herrenmannschaft aktiv begleitet. Es freut mich für die Jungs, dass sie es gepackt haben. Und da werden auch noch einige andere nachkommen. Die Arbeit im HTHC war toll, und ich habe noch immer sehr gute Verbindungen zu den Menschen im HTHC. Und ich fand es cool, dass der HTHC mich in dem Schritt unterstützt hat, mit dem Wechsel nach Mannheim den Sprung in die Bundesliga zu wagen. Die Arbeit mit der Bundesliga-Mannschaft beim MHC ist super anspruchsvoll und macht mir riesigen Spaß! Wir haben viele Spieler mit hoher Bereitschaft und auch großen individuellen Zielen, wo du eben als Trainer immer gefordert wirst. Ich habe diesen Schritt in die Bundesliga immer angestrebt. Deswegen auch mein Engagement in der MU16-Nationalmannschaft und in der Trainerakademie, wo ich gerade meinen Diplomtrainer absolviere. Es war nach der HTHC-Zeit die richtige Entscheidung. Hier in Mannheim kann ich mich als Trainer noch weiter entwickeln und entfalten.

Aus Ihren Worten schließe ich, dass ein DM-Finale MHC gegen HTHC das Ideale für Sie wäre. Oder würde Ihnen da das Herz zerreißen?
Das wäre natürlich mein Traumfinale. Auch weil wir dann beide das Ticket für die EHL bereits gelöst hätten. Aber ich würde natürlich gewinnen wollen, auch wenn ich noch sehr viel für den HTHC empfinde und mein Herz sozusagen noch ein wenig schwarz-gelb schlägt. Aber da wäre ich Profi genug, um mit meinem Team den Sieg anzustreben. Außerdem hat der MHC noch eine kleine Rechnung vom jüngsten Hallen-DM-Halbfinale offen. Doch wir denken von Spiel zu Spiel. Erstmal kommt im Halbfinale der UHC, dann schauen wir weiter.

Sie sind Co-Trainer und Andreu Enrich Cheftrainer. Ist diese Hierarchie-Stufe in der täglichen Arbeit und/oder bei den Spielen sichtbar, also auch für die Spieler?
Genau. Ich bin Co-Trainer der Bundesliga-Herren und unterstütze unseren Cheftrainer Andreu. Wir nehmen das Wort „Hierarchie“ nicht so genau. Vielmehr schauen wir, dass wir unsere Stärken und das Knowhow bündeln. Wir haben eine klare Rollenverteilung beim Coaching und ergänzen uns gegenseitig zum Wohle des Teams.

Vielen Dank für das Gespräch!

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