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Joana Boehringer: „Wir schießen noch zu wenig Tore“

Mit 14 Punkten aus der Hinrunde der 1. Bundesliga können die Damen des Münchner SC eigentlich ganz zufrieden sein, trotzdem steht der südlichste Erstligist Deutschlands vor der Winterpause lediglich auf Platz fünf seiner Staffel. Im Gespräch mit DHZ-Mitarbeiterin Claudia Klatt bewertet MSC-Verteidigerin Joana Boehringer (20) den ersten Saisonabschnitt. Kurz vor Boehringers Abflug zum WM-Nominierungslehrgang nach Barcelona ging es natürlich auch um die bevorstehende U21-Weltmeisterschaft, wo die Münchnerin im deutschen Team mitmischen will.

 

Frau Boehringer, wie schätzen Sie die Hinrunde ein, die Sie mit dem MSC gespielt haben?

JOANA BOEHRINGER: Wir sind mit dem MSC eigentlich bekannt dafür, dass wir in den letzten Jahren immer nicht so glänzende Hinrunden gespielt und es eher in der Rückrunde rausgerissen haben. In diesem Jahr hatten wir eigentlich einen sehr guten Start gegen den HTHC – in dem Spiel waren wir gut dabei, und die drei Punkte gingen wirklich verdient an uns. Danach hatten wir die Hoffnung, dass wir ein paar mehr Punkte sammeln in diesem Jahr. Im letzten Jahr hatten wir einen Sechs-Punkte-Fluch, über die wir in der Hinrunde nicht hinausgekommen sind. Den haben wir aber ja schonmal hinter uns gelassen. Zwischendurch gab es einen Ausrutscher gegen den DHC, der uns aber im richtigen Moment wachgerüttelt hat, und nun haben wir 14 Punkte auf dem Konto. Man muss sagen, dass das letzte Wochenende sehr wichtig war, dass wir zumindest auf die Wespen nun Abstand haben. Die direkten Duelle in der Rückrunde muss man sowieso gewinnen gegen Wespen und Flottbek, um die Chance auf das Viertelfinale zu haben. Alles in allem war die Hinrunde von der spielerischen Leistung her eigentlich in Ordnung.

 

Trotz dieser Einschätzung müssen Sie und Ihr Team auf einem Play-down-Platz überwintern.

Es springen im Endeffekt leider immer noch zu wenig Punkte dabei heraus. Auch ist unser Torverhältnis immer noch nicht optimal: Wir schießen noch zu wenig Tore. Daher war es umso wichtiger, dass wir zum Abschluss gegen die Wespen drei Punkte geholt und drei Tore geschossen haben, damit wir nun auch das Selbstvertrauen haben, dass wir Tore schießen können. Wir kennen das Phänomen schon, dass wir es oft nicht schaffen, Spiele zu entscheiden, weil wir an sich am Drücker sind, aber einfach unsere Tore nicht machen. Oft spielen wir gut mit auch gegen gute Gegner, die uns bescheinigen, dass wir ein gutes Spiel gemacht haben, wie zum Beispiel gegen Alster, was uns aber nichts bringt, weil wir die Tore nicht machen und somit das Spiel 0:1 verlieren. Das war in der Hinrunde schon ab und an der Fall. Allerdings muss man auch sehen, dass wir vieles gut gemeistert haben in der Hinrunde, wir hatten wirklich superätzende Zugfahrten, an einem Wochenende in Raffelberg und beim UHC Hamburg, und haben da trotzdem noch die Punkte rausgeholt. Wir waren, glaube ich, 19 Stunden wach an dem Samstag und davon 14 Stunden an irgendwelchen Bahnhöfen oder im Zug und haben dann trotzdem gegen den UHC ein ordentliches Spiel hingelegt und einen Punkt mitgenommen.

 

Es klingt so, als hätten Sie kleine richtige Schritte gemacht, um sich zu verbessern. Was hat sich Ihrer Meinung nach in der letzten Saison verändert, dass Sie sich so verbessern konnten?

Wir haben ein sehr junges Team, und deshalb hat es schon so seine Zeit gedauert, bis wir uns gefunden haben, aber ich glaube, dass wir es langsam hinkriegen, diese individuelle Klasse von den Einzelspielerinnen irgendwie zu verbinden, dass man das wirklich sieht. Was uns inzwischen auszeichnet, ist unser Kontakthockey. Wir kriegen es gut hin, wenn wir mal in so einem Flow sind. Zum Beispiel im Spiel gegen Köln hat unser Trainer Jakob Cyrus eine Szene gezeigt, wo wir vor unserem Tor fast zweieinhalb Minuten in Ballbesitz sind, weil wir es geduldig bis vors Tor durchspielen. Ich glaube, das macht uns schwer verteidigbar, weil wenn wir in diesen Flow kommen, es diese Spiele sind, die dann laufen. Ich glaube, dass es das ist, wo wir im Gegensatz zum letzten Jahr noch einmal einen Riesenschritt gemacht haben, weil wir es schaffen, diese Spielzüge auf den Platz zu bringen und miteinander und nicht nur durch Einzelaktionen zu Toren zu kommen, sondern einfach, weil wir es gut durchkontakten.

 

Sie persönlich fliegen ja demnächst nach Barcelona zur Vorbereitung auf die U21-WM. Wie wichtig ist das für Sie für Ihre Entwicklung und Ihr Spiel, auf so einem Niveau noch einmal spielen zu können?

Superwichtig, und ich freue mich auf ein anderes Land und am anderen Ende der Welt hoffentlich bei der WM zu sein. Vor allem auf so einem internationalen Level ist es körperlich nochmal ganz anders, und da entwickelt man sich individuell weiter. Für mich ist es in diesem Jahr eine große Aufgabe, weil wir ein paar Spielerinnen haben, die in der U21 fehlen, da sie beim A-Kader eingesetzt werden. Ich glaube, dass wir in diesem Jahr – genau auch wie beim MSC, und ich glaube, das mir das auch hilft, dass ich es von da kenne  – viel über das Team kommen werden. Wir haben ein super junges Team und weniger erfahrene Hasen dabei, die über individuelle Klasse Spiele entscheiden können. Was uns dieses Jahr somit auszeichnen wird, ist der Teamgeist, weil das Talent ist auf jeden Fall da, nur gemeinsam das auf die Platte zu bringen wird unsere große Aufgabe. Der Lehrgang in Spanien ist ja ein Nominierungslehrgang, und das ist für alle ein bisschen schwierig, weil bereits in 20 Tagen der Flug nach Chile geht. Erst zehn Tage davor zu erfahren, ob man dabei ist, ist natürlich nicht so einfach, vor allem auch für ein paar jüngere Spielerinnen von der U18, die gerade erst zu uns hochgekommen sind. Ich glaube, da müssen wir jetzt alle zusammen durch, wir haben auch besprochen, dass der Fokus voll auf dem Team liegt, und dass alle - neben dem Platz, auf dem Platz oder daheim - Teil des Teams sind. Und als Team muss es dieses Jahr funktionieren. Das wird eine große Aufgabe auch für mich, weil ich inzwischen auch eher zum Führungsteam zähle und alle Mädels bis zur WM das nötige Vertrauen untereinander aufbauen müssen. Man kann aus sowas natürlich auch immer viel mitnehmen, auch für den Verein, was die Rolle angeht.

 

Als "sehr cool" bezeichnet es Joana Boehringer (rechts), zusammen mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Julia (links) in der Bundesligamannschaft des Münchner SC zu stehen. Foto: B.Förster

 

Ist Ihre Nominierung also dieses Mal wahrscheinlich?

Es fliegen noch zwei raus und zwei fahren als Backup mit, aber die Aussichten für eine Nominierung sind nicht so schlecht.

 

Was hat das Aus vor der letzten WM für Ihre Entwicklung bewirkt? Wollten Sie es dann dieses Mal mehr?

Ich muss sagen, ja. Damals habe ich die meisten Lehrgänge mitgemacht, und zwei Lehrgänge vor der WM bin ich rausgeflogen - als eine der jüngeren Spielerinnen. Natürlich bin ich daran gewachsen. Es war in dem Moment schon ein herber Rückschlag, denn wenn man erst einmal dabei ist, macht man sich die Hoffnung, dass man dann auch mitfährt. Am Anfang war es hart, hat mir aber auch gezeigt, dass es nicht so ein Selbstläuferding ist, und das war auch gut. Dadurch macht man auch deutlich mehr, und ich glaube auch, dass es für mich für dieses Jahr zum Beispiel sehr viel bringt, weil ich mich einfach sehr gut in die Leute hineinversetzen kann, die jetzt bei diesem Lehrgang wirklich auf der Kippe stehen. Durch diese Erfahrung kann ich denen dann auch ein bisschen helfen. Das hilft dann am Ende natürlich auch dem Team. Zwei sind ja auch schon raus – und man kennt eben diese Situation und kann es ihnen hoffentlich etwas erleichtern, damit umzugehen. Ich glaube, für mich ist es schön zu sehen, dass es ganz normal ist, dass ausgewählt wird und jemand aus der Gruppe rausfliegt – so ist es halt bei so einem Nominierungsprozess – und dass ich das so weitergeben kann, dass es danach nicht vorbei ist, weil man jetzt bei mir sieht, dass es eben nicht vorbei ist und dass man seine Chancen schon bekommt. Letztes Jahr habe ich ja dann auch die EM gespielt.

 

Was haben Sie sich für die WM vorgenommen?

Die Ziele stehen auf jeden Fall. Es ist eine superschwierige Aufgabe dieses Jahr, weil wir in einer nicht so einfachen Gruppe sind mit Kanada als vermeintlich einfacherem Gegner, aber auch noch Indien und Belgien, gegen die wir beide schon Testspiele hatten. Indien wird eine große Aufgabe, sie sind klein und quirlig und superschnell. Ein Team, das man nicht unterschätzen darf, und bei Belgien hatten wir unsere Testspiele relativ am Anfang der Vorbereitung, das heißt, die können sich auch nochmal ordentlich entwickelt haben in der Zeit. Das erste Ziel ist, erstmal diese Gruppenphase zu überstehen. Ich glaube auch, dass es mit Klima, anderem Land, anderer Atmosphäre auf jeden Fall noch einmal eine Herausforderung wird, sich voll und ganz darauf zu konzentrieren, dass man zum ersten Spiel abliefern kann. Wir haben jedoch sieben oder acht Tage Vorlauf im Land, um uns vorbereiten zu können, um uns schon etwas daran zu gewöhnen. Am Ende ist das Ziel, so weit zu kommen, wie es geht. Die meisten träumen natürlich von einer Goldmedaille. Ich glaube allerdings, Holland hat ein superstarkes Team dieses Jahr und auch Argentinien, gegen die habe ich persönlich noch nie gespielt, und sollte es dazu kommen, freue ich mich sehr drauf und hoffe, dass wir in den Knock-Out-Games auf sie treffen. Es wird auf jeden Fall kein Selbstläufer in dieser Gruppe, aber ich glaube, wenn die Gruppe zu leicht ist, ist es danach schwieriger, in so einen Modus reinzukommen, sobald die Gegner besser sind. Und deswegen ist es, glaube ich, gar nicht so falsch, dass unsere Gruppe tendenziell stärker ist.

 

Ihre Schwester spielt mit Ihnen gemeinsam beim MSC. Wie ist das für Sie?

Jetzt im Erwachsenenbereich ist es supercool, mit meiner Schwester zu spielen. Wir haben schon beim ESV München in der Jugend zusammengespielt. In der Jugend ist es immer noch eine andere Sache, weil man in einem Alter ist, wo man sich eher mal in die Haare kriegt. Wir haben damit umgehen gelernt, dass eventuell auch mal die ein oder andere Kritik am anderen etwas forscher ausfällt. Alles in allem würde ich sagen, überwiegt aber immer der Spaß daran, gemeinsam auf dem Platz zu stehen. Julia schießt ja nun auch Ecken bei uns, und es hat mich gefreut, dass sie gegen die Wespen getroffen hat. Es ist auch sehr gut, dass wir an unterschiedlichen Positionen spielen, da kommen wir uns überhaupt nicht in die Quere. Im Gegenteil sogar, ich glaube, wenn meine Schwester im Spiel den Ball hat, mache ich innerlich Freudensprünge, wenn sie ihr Können zeigt. Es ist auf jeden Fall sehr cool, zusammen Bundesliga zu spielen.

 

Vielen Dank für das Gespräch!