Auf sieben Punkte angewachsen ist der Rückstand der Bundesliga-Damen des Berliner HC auf die Play-off-Plätze. Trotz dieser rein zahlentechnisch negativen Entwicklung bleibt BHC-Nationalspielerin Benedetta Wenzel überzeugt davon, dass ihre Mannschaft den Sprung ins DM-Viertelfinale noch schaffen kann. Mit der Erfahrung ihrer 62 Länderspiele will die gerade 28 Jahre alt gewordene Mittelfeldspielerin mit dazu beitragen, dass das im Schnitt junge BHC-Team in den verbleibenden sieben Spielen noch die nötigen Punkte holt, wie Wenzel im Interview mit DHZ-Mitarbeiterin Claudia Klatt erzählt hat. Das durch die DM-Endspielteilnahme in der Halle gewonnene Selbstvertrauen soll dabei natürlich ebenso helfen.
Frau Wenzel, zu Beginn der Rückrunde war Ihr Berliner HC erst einmal mit Mannschaften aus dem oberen Tabellenviertel konfrontiert und hat sich dabei (trotz nur eines Punktes aus drei Spielen) gar nicht so schlecht geschlagen. Wie fanden Sie es, erst einmal geballt gegen die Top-Teams antreten zu müssen?
Benedetta Wenzel: Es war schon schwierig für uns, weil wir die Hinrunde nicht so gut gespielt hatten und uns bewusst war, dass wir erst einmal Punkte sammeln müssen. Mit solchen ganz schwierigen Spielen am Anfang ist das natürlich schwer, aber an sich fanden wir es gar nicht so verkehrt, gegen die Top-Teams anzufangen, weil man nichts zu verlieren hatte und eine Standortbestimmung möglich war. Der Druck, Punkte holen zu müssen, war noch nicht da, weil wir wussten, dass es dazu noch genug Gelegenheit geben wird. Es sieht nur in der Tabelle zunächst schlimm aus, wenn man noch weiter zurückfällt und nicht zur Mitte aufschließt. In allen Spielen haben wir gut mitgehalten und haben der Hockeyliga gezeigt, dass wir nicht in den Abstiegskampf gehören. Wir sind davon überzeugt, dass wir da auch wieder rauskommen, obwohl es schon schwer ist, aus den ersten drei Spielen nur einen Punkt mitzunehmen und erst einmal sieben Punkte vom achten Platz abzurücken.
Es war natürlich für uns auch besonders schwierig, das zweite und dritte Spiel ohne Linnea nach ihrer Verletzung zu spielen. Sie spielt bei uns eine sehr wichtige Rolle, ist eine Schlüsselspielerin, Kapitänin, und es ist bekannt, was sie draufhat. Natürlich ist ganz klar, dass sie fehlt, gerade in einer so jungen Mannschaft. Auch wenn Linnea selber sehr jung ist, hat sie noch einmal durch ihre Erfahrung in der Nationalmannschaft ein Plus und ist für uns hinten einfach unersetzlich und eine Bank. Für uns wiegt ihr Ausfall sehr schwer.
Dafür haben Sie es ganz gut gelöst, aber sollte sie weiter ausfallen, ist es ein großer Einschnitt?
Im letzten Sommer haben wir ja schon den großen Umbruch gehabt, wo einige ältere Spielerinnen wie Malin Stiebitz, Viola Scharf und Stefanie Wendt aufgehört haben, und demensprechend in der Verteidigung sich einiges verändert hat und die jüngeren Spielerinnen da erst einmal herangeführt werden mussten. Linnea war da die wichtige Konstante, die geblieben ist. Die fehlt uns natürlich in der momentanen Situation erst einmal sehr. Allerdings haben wir mit Joana Boehringer und Ida Köllinger seit dieser Saison auch zwei wertvolle neue Spielerinnen gewonnen, die eine sehr große Stütze seit diesem Umbruch sind.
Olympiateilnahme in Paris 2024 - für Benedetta Wenzel (hinten, rechts neben den olympischen Ringen, im Gruppenspiel gegen Frankreich) ein wahr gewordener Traum. Foto: Kaste/Archiv
Haben Sie selber auch eine andere Rolle übernommen?
Die Hinrunde habe ich pausiert, weil ich nach Olympia erst einmal gereist bin, und bin dementsprechend selber erst seit der Rückrunde wieder am Start. Generell bin ich auch keine Person, die dann uneingeschränkte Ansprüche an einen Platz geltend macht, und konnte mir dann in der Halle erst einmal die Position und Rolle wieder erarbeiten. Auf dem Feld sehe ich gerade eine große Verantwortung. Als Mittelfeldspielerin und mittlerweile Mannschaftsälteste und die Spielerin mit der meisten Erfahrung bin ich eine Stütze für die gesamte Mannschaft, und dementsprechend habe ich versucht, den Jüngeren zu vermitteln, dass wir auch ohne Linnea und als Underdog auch gegen die großen Teams etwas holen können. Dementsprechend haben mich alle gerne auf dem Platz, und es ist eine Stütze für die Verteidigung, dass sie mich immer anspielen können und ich eine gewisse Ruhe reinbringe.
Die jungen Spielerinnen sind seit dem Sommer aber schon gewachsen?
Auf jeden Fall. Ich habe die Spiele beobachtet, und die ersten fünf Spiele waren schon hart, der Umbruch war spürbar, aber ich habe wirklich dabei zugesehen, wie sie von Spiel zu Spiel gewachsen sind und immer mehr Mut und Zutrauen in sich haben. Dementsprechend bin ich auch total zuversichtlich, dass die nächsten Jahre für uns viel Potenzial halten und auch dieses Jahr nicht im Abstiegskampf enden sollte, sondern dass wir noch ein gutes Viertelfinale herausholen können. Ich bin wirklich stolz, dass unsere jungen Spielerinnen da so schnell reingewachsen sind. Sie wurden schon sehr ins kalte Wasser geschmissen. Spielerinnen, die vorher gar nicht gespielt haben, mussten beispielsweise Innenverteidigung spielen, also viel Verantwortung übernehmen. Das haben sie aber alle bisher ganz toll gemacht und sind mit ihren Aufgaben gewachsen.
Das kumulierte dann ja in der Teilnahme am Final Four in der Halle und dem Vizemeistertitel. Haben Sie aus der märchenhaften Hallensaison auch noch mal das Momentum mitgenommen?
Auf jeden Fall. Wir haben gespürt, vor allem im Nachhinein, dass wir eine Rolle spielen im deutschen Hockey und uns nicht verstecken müssen. Eigentlich wäre auch im Final Four dann im Finale letztlich mehr drin gewesen. Dass wir nicht nur zufällig dort hingekommen sind, wurde uns leider erst richtig in der zweiten Halbzeit bewusst. Die Erfahrung, wie es sich anfühlt und wie es abläuft, ist unersetzlich und hat uns das Gefühl gegeben, dass es nicht zufällig passiert ist. Und wir nun wissen, dass wir es auch in den nächsten Jahren schaffen können. Nicht nur für das Selbstbewusstsein hat es etwas bewirkt, sondern auch unser Teamspirit war in der Halle einfach toll. Es hat alles gestimmt. Die Spieleinnen sind natürlich jetzt auch auf dem Feld dabei, und wir nehmen das schon mit, dass wir eine sehr gute Teamdynamik haben und alle füreinander brennen. Dementsprechend war der Erfolg für die Mannschaft auch wichtig, selbst wenn man schon vorher wusste, dass wir uns alle gut verstehen oder miteinander harmonieren. Wenn man den Vizemeistertitel holt, unterstreicht das noch einmal das Wissen, dass man das als Mannschaft geschafft hat. Das macht uns auch aus, nicht, dass wir unbedingt die fünf besten Spielerinnen Deutschlands auf dem Platz zu haben, aber eben dies als Mannschaft zu erreichen.
Sie haben auch ihr ganz persönliches Märchen mit der späten Nationalmannschaftskarriere gehabt, wie schauen sie selber auf diese Erfahrung?
Letztes Jahr Olympia zu spielen hätte ich mir wirklich nie erträumt. Ich hatte es ja bereits vor Jahren schon abgeschrieben, und mein Wechsel nach Berlin war ja auch der Priorität geschuldet, meinen Master machen zu wollen, und Hockey sollte dann eigentlich eher Nebensache sein. Dass es dann noch einmal dazu gekommen ist, war ein sehr glücklicher Umstand, und ich habe es so mitgenommen und am Anfang auch nicht daran geglaubt. Aber je mehr man dann da spielt, desto höher wird dann auch wieder der Anspruch. Irgendwann habe ich gewusst, dass ich eine realistische Chance auf Olympia habe. Das war schon etwas ganz Besonderes, weil ich im Gegensatz zu den anderen, die Jahr für Jahr seit jeher da im System sind, für die das eher die logische Konsequenz war, eben eine dreijährige Pause hatte und nicht immer in den Jugendmannschaften gespielt hatte. Es war etwas ganz Besonderes, dass ich das geschafft habe. Auch war ich mir nicht sicher, ob ich danach auch noch voll weitermachen will, weil Olympia eben mein großes Ziel war, aber dann hatte ich auch währenddessen schon das Gefühl, dass ich das Privileg, was ich mir erarbeitet habe, nicht aufgeben möchte und Lust habe, das weiterzuführen. Mittlerweile habe ich auch in der Nationalmannschaft eine andere Rolle und zähle zu den Erfahreneren und habe entschieden, dass ich weitermachen möchte. Wie lange das geht, weiß ich nicht, ich bin gerade 28 geworden, und merke das schon, traue es mir jedoch körperlich auch zu, es noch weiterzuführen. Aber auch die Lebensumstände mit einem beendeten Studium ermöglichen nicht mehr so eine flexible Zeiteinteilung, und es ist dann noch schwieriger, Prioritäten zu setzen. Das kommt natürlich alles gerade in meiner Lebenssituation hinzu. Die Entscheidung weiterzumachen ist schwieriger, je älter man wird, aber gerade habe ich noch Lust. Und mit der Pro League in Berlin und der Heim-EM in Mönchengladbach in diesem Jahr stehen zwei für mich sehr wertvolle und schöne Ereignisse an, und ich habe sehr große Lust, diese zu spielen.
Benedetta Wenzel setzt zum Rückhandschlag an. Eine Spielszene vom Frühjahr 2024. Foto: F.Ebeling
Hat Ihr Alter und das entspanntere Herangehen für Sie eventuell auch den Ausschlag gegeben, dass es dann doch noch mit der Nationalmannschaft geklappt hat?
Menschlich hat es mir wahrscheinlich insgesamt ganz gutgetan, dass ich nicht nur den Hockeyblick hatte und dementsprechend auch immer einen guten Ausgleich hatte und auch wusste, wenn es nicht klappt, dann habe ich auch andere Dinge, die mich ausmachen – ohne anderen unterstellen zu wollen, dass Hockey bei ihnen deutlich wichtiger ist. Für mich ist Hockey auch sehr wichtig und wichtig geworden, und ich wäre am Boden zerstört gewesen, wenn ich die Nominierung verpasst hätte. Aber es ist wertvoll zu wissen, dass meine Welt dann nicht zusammenbricht und ich auch andere Wege einschlagen kann. So hat die Pause mir geholfen, ein bisschen entspannter zu sein. Aber wenn man drin ist, dann will man es auch, und dann bin ich wieder nicht mehr so entspannt. Das will ich gar nicht behaupten. In dem Moment ist das schon alles für mich. Im Sommer wusste ich auch, dass ich andere Dinge in der Hinterhand hatte, und das nimmt einem die Last von den Schultern, wenn man nicht alles auf eine Karte setzt. Mir hilft das zumindest, bei anderen kann es aber natürlich anders sein.
Wie schauen Sie nun auf diese nächsten wichtigen Spiele gegen die Teams in Ihrer Nähe in der Tabelle?
Der Druck ist nun schon eher da, und wir wissen, dass wir uns keine Fehler erlauben dürfen. Jetzt muss alles klappen, und alle müssen alles investieren und hart arbeiten. Dementsprechend spüren wir den Druck schon, aber ich glaube, wir haben auch richtig Lust, diese Spiele zu spielen, wo wir auch wirklich was zu holen haben und uns das auch bewusst ist. Dementsprechend freuen wir uns auch darauf, ein paar Punkte zu holen. Dafür arbeiten wir sehr hart. Wir haben eine sehr athletik-lastige Vorbereitung absolviert, das war auch immer Thema, dass wir dort aufholen müssen, und ich glaube, dass wir es schaffen werden, genug Punkte zu holen, um auch MSC oder UHC vielleicht am Ende zu überholen.
Vielen Dank für das Gespräch!