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Tim Schwieren: „Konstanz auf einem hohen Niveau ist die größte Challenge“

In der ersten Saisonhälfte der 1. Bundesliga mischten die Herren des UHC Hamburg als Tabellendritter zeitweise ganz oben mit. Davon ist mittlerweile nicht mehr viel geblieben. Als Ligasiebter haben die Hanseaten gerade noch drei Punkte Vorsprung auf die Plätze der Abstiegsrunde. Der jüngste 4:3-Heimerfolg über den TSV Mannheim stoppte am Sonntag einen Negativlauf des UHC, der in den ersten vier Partien des Jahres lediglich einen einzigen Punkt gesammelt hatte, darunter am Samstag ein 2:3 gegen den Mannheimer HC. DHZ-Mitarbeiter Julius Hayner sprach mit UHC-Kapitän Tim Schwieren (25) über den wechselvollen Saisonverlauf des Hamburger Teams und die Gründe dafür.

Herr Schwieren, nach diesem Wochenende mit zwei ganz unterschiedlichen Spielen und Ergebnissen, welche Emotion ist da gerade vorherrschend beim Kapitän der UHC-Herren?

TIM SCHWIEREN: In erster Linie Erleichterung. Der Start in die Rückrunde war alles andere als optimal für uns. Jahresübergreifend haben wir seit sechs Spielen nicht gewonnen, das hat sich allmählich in den Köpfen festgesetzt. Nach der bitteren Niederlage am Samstag, wo wir ein gutes Spiel durch individuelle Fehler an die Wand fahren, war es umso wichtiger. Die Freude über den Sieg am Sonntag überwiegt jetzt in der Nachbetrachtung.

 

Der Sieg gegen den TSV kam zum genau richtigen Zeitpunkt, oder?

Ja, auf jeden Fall. Am Samstag wurde ich von unseren eigenen Kommentatoren schon darauf angesprochen, ob man jetzt wohl allmählich nach unten gucken müsse. Das konnte ich dann in dem Moment auch nicht leugnen. Wenn man selbst auf der Stelle tritt, die Mannschaften unter dir immer wieder punkten, man selbst dann in München zum Beispiel null Punkte holt, dann ist man gegen den TSV schon zum Siegen verdammt gewesen. Das hat geklappt, darüber sind wir sehr froh.

Der Einsatz im Spiel zwischen dem UHC Hamburg (in blau Tobias Martins) und dem TSV Mannheim (von links Manuel Prol, Juan Catan und Santiago Tarazona) war so intensiv, dass es Martins sogar einen Schuh auszog.   Foto: Tischler

 

Nehmen Sie uns mal kurz in die Spiele vom Wochenende aus Ihrer Sicht mit. Vor allem in die Situation, als der TSV nach eigentlich komfortabler UHC-Führung am Ende nochmal auf den Ausgleich drängte?

Grundsätzlich waren wir in beiden Spielen taktisch sehr gut eingestellt. Wir haben uns bisschen was überlegt, haben für unsere Verhältnisse sehr viel Manndeckung gespielt, was gut funktioniert hat. Gegen MHC verschlafen wir natürlich den Start komplett und fangen uns früh eine Peillat-Ecke, von der man ja pro Spiel mindestens eine einplanen kann. Danach kommen wir immer besser ins Spiel, auch wenn die finale Durchschlagskraft im letzten Drittel noch gefehlt hat. Da hapert es im Moment noch ein wenig. Wir haben aber solide und leidenschaftlich verteidigt, lassen bis auf die Ecke nicht viel zu, und dann, wie gesagt, schenken wir uns die Gegentore leider selbst ein. Sonntag lief es dann offensiv deutlich besser. Da hat es dann mal geklappt, wozu auch immer eine gewisse Portion Glück zählt. Dass die Führung so hoch ausfiel, lag nicht nur an unserer offensiven Qualität, sondern eben auch vielleicht an ein paar unglücklichen TSV-Abwehraktionen. Dann hat der TSV logischerweise angefangen zu pressen. Und da hat man dann gemerkt, dass uns in dieser Phase das Selbstverständnis gerade fehlt. Das fängt dann in den Köpfen an zu rattern, wenn man das erste und das zweite Tor kassiert. Wir hatten kaum noch Ballbesitz, keine offensiven Aktionen. Und der TSV ist auch einfach immer stärker geworden. Da nimmt das Gedanken-Karussell dann Fahrt auf. Wir wollten den Sieg nur noch über die Ziellinie retten, wodurch es dann viel zu eng für unseren Geschmack wurde. Am Ende ist es noch gut gegangen.

 

Die Frage stellen Sie sich vermutlich selbst: Wie konnte es passieren, dass der UHC den Start in die Rückrunde nach dieser beeindruckenden souveränen Hinrunde so vergeigt hat? Konntet Ihr euch die Frage überhaupt schon selbst beantworten?

 Wir haben zumindest viel gearbeitet und in den Wochen auch entscheidende Fortschritte gemacht. Woran es letztendlich liegt, kann ich final nicht beantworten. Vielleicht war die Vorbereitung nicht optimal, vielleicht fiel die Hockey-Vorbereitung etwas zu kurz aus. Das könnte ein Faktor sein, auf der anderen Seite starten wir gegen Polo (2:2; d. Red.) ja wirklich sehr gut in die Rückrunde. Vielleicht hatten wir nach dem guten Start einen falschen Anspruch an die nächsten Spiele. Was im Vergleich zur Hinrunde in jedem Fall ein entschiedener Faktor ist, ist unsere Ausbeute bei Strafecken. Wir haben in der Hinrunde für unsere Verhältnisse sehr viele Tore bei Ecken erzielt. Und jetzt haben wir null direkte Eckentore. Und eine gute kurze Ecke kann einen auch in einem schlechten Spiel mal retten. Das war in der Hinrunde oftmals der Fall. Da haben wir nicht immer großartig gespielt, sondern eben auch mal durch Strafecken die Spiele für uns entschieden. Da zählt eben auch eine Portion Glück dazu. Das fehlt uns gerade. Und dann kommt natürlich mit jeder Niederlage dann auch der mentale Faktor dazu. Es ist also sicherlich eine Mischung verschiedener Faktoren.

 

Wie würden Sie jetzt die Situation beschreiben, in der der UHC steckt? Geht der Blick zunächst nach unten oder eher wieder nach oben?

Wir wollen unseren Play-off-Platz verteidigen. Wir schauen gerade nicht nach oben oder haben irgendwelche Gedankenspiele, welchen Platz man erreichen müsste, um eventuell diesem oder jenem Gegner aus dem Weg zu gehen. Das Hauptziel ist das Erreichen eines Play-Off-Platzes. Über den Rest müssen wir uns gerade keine Gedanken machen.

 

Müssen Sie sich dann auch mal die Augen reiben, wenn man aktuell die Ergebnisse sieht oder die Mannschaften, die in der Tabelle tatsächlich gerade da unten stehen?

Auf jeden Fall. Ich glaube aber einfach, dass das Niveau in der gesamten Liga enorm gestiegen ist, was auch an den vielen internationalen Verpflichtungen liegt. Die ersten zwei Mannschaften setzen sich gerade ein wenig ab, dahinter ist alles sehr eng beieinander. Wenn man überlegt, wer denn sonst da unten drinstehen könnte, wären das auch alles Mannschaften, die auf einem sehr hohen Niveau angekommen sind. Der TSV hat sich verstärkt, Krefeld ebenfalls. Vielleicht leiden gerade ein wenig die Teams darunter, die auf die eigene Jugend bauen wollen oder auch müssen. Die sind vielleicht etwas im Hintertreffen, weil sie das Niveau nicht ganz mitgehen können.

 

Mal losgelöst von der aktuellen Tabellensituation: Im Sommer gab es bei Euch nach langer Zeit einen Trainerwechsel. Der vorherige Co-Trainer Jan Philipp Rabente übernahm vom jahrelangen Cheftrainer Benedikt Schmidt-Busse. Was hat der personelle Wechsel an Veränderung mitgebracht? Wo stehen die UHC-Herren gerade?

Vor allem gab es recht früh die Erkenntnis, dass sich durch einen Trainerwechsel nicht die Baustellen einer Mannschaft ändern - oder gar auflösen. Diese Themen muss meiner Meinung nach immer das Team im Mannschaftskern lösen oder angehen. Und sonst hat sich das geändert, was sich eben bei so einem Personalwechsel ändert: Hier und da die Art oder die Wege der Kommunikation, die Trainingsinhalte oder die taktischen Inhalte. Wir wollten als Mannschaft ein wenig wegkommen vom Umbruch, der in den letzten Jahren stattgefunden hat und uns stabilisieren. In den letzten Jahren ging es ja überwiegend darum, den Abgang der Generation um Mo Fürste und der vielen anderen Nationalspieler abzudämpfen, ohne dabei in die Abstiegsränge zu geraten. Das ist der Mannschaft und dem Verein gut gelungen. Jetzt wollten wir uns festsetzen im oberen Mittelfeld, vielleicht mal gucken, ob man an die Top-Vier herankommt. Wir sind aber dabei noch auf einem Auf- und Ab-Kurs. Das ist auch unsere größte Baustelle: die Konstanz. Die Konstanz über mehrere Spiele oder sogar innerhalb eines Spiels ein ähnlich hohes Niveau abzuliefern. Konstanz auf einem hohen Niveau ist die größte Challenge der UHC-Herren.

 

Tim Schwieren führt das Bundesligateam des UHC Hamburg schon eine ganze Weile als Kapitän an. Foto: Hockeyliga

 

Es geht in dieser Phase jetzt Schlag auf Schlag. Am Samstag wartet das nächste Sechs-Punkte-Spiel für Euch gegen abgeschlagene Großlottbeker. Ein Pflichtsieg oder gibt es die in diesen Hamburg-Derbys nicht?

Genau. Den gibt es in den Hamburger Derbys generell nicht und vor allem nicht, wenn man sich unsere Ergebnisse der letzten Jahre gegen schwächer platzierte Mannschaften anguckt. Es ist für uns dennoch ein „Must-Win-Spiel“. Die Ergebnisse von Flottbek zeigen, dass sie in allen Spielen grundsätzlich mithalten können. Gerade auf deren Platz können sie jedes Spiel eigentlich eng gestalten. Uns erwartet kein einfaches Spiel, das wissen wir. Trotzdem müssen drei Punkte her - egal wie.

 

Vielen Dank für das Gespräch!